Liebe Frau Kleimann, seit dem 01.04.2021 sind Sie Dezernentin für digitale Fortbildung an der Justizakademie. Was genau umfasst Ihre Aufgabe?

Meine Hauptaufgabe besteht darin, die Digitalisierung der JAK weiter voran zu treiben und genau zu schauen, welche ergänzenden und/oder zusätzlichen Lernangebote sich durch die verschiedenen digitalen Möglichkeiten schaffen lassen.

Auch bin ich Ansprechpartnerin für die Referentinnen und Referenten, wenn es um Online-Schulungen und deren Möglichkeiten und deren Grenzen geht. So habe ich gerade in der Zeit des Lockdowns  viele Schulungen zur Umgestaltung analoger Tagungen durchgeführt.

Ansprechpartnerin bin ich auch für das bei der Justizakademie eingesetzte Lernmanagementsystem „Ilias“ (Integriertes Lern-, Informations- und Arbeitskooperations-System). Diese Bildungsplattform bietet den Referentinnen und Referenten vielfältige Möglichkeiten, um z.B. Unterlagen zu teilen oder mit den Teilnehmenden zu kommunizieren. Außerdem können die Teilnehmenden hier ihre eigenen Fortbildungen strukturieren oder verschiedene E-Learning Formate in Form von Web-Based-Trainings oder kleinen Erklärvideos in Anspruch nehmen.

Was ist E-Learning überhaupt?

Der Begriff E-Learning wird häufig falsch verwendet. Viele verstehen darunter lediglich ein Lernprogramm mit einem Quiz am Ende. Mit E-Learning sind aber alle digitalen Lernformate gemeint wie beispielsweise Videos, Learning-Nuggets, Wissensdatenbanken, Apps, Quiz und Web-Based-Trainings. Zur weiteren Erläuterung dieser Begriffe habe ich ein Glossar erstellt, das Sie über diesen Link erreichen: https://www.jak.nrw.de/behoerde/Aktuelles/Glossar-Digitales-Lernen/index.php

Worin sehen Sie die Vorteile von E-Learnings?

Besonders gut lassen sich abgrenzbare Fachthemen, wie zum Beispiel Neuerungen im Familienrecht oder Datenschutz am Arbeitsplatz, als E-Learning umsetzen. Für solche überschaubaren Themen lohnt ein Zusammenkommen aus dem ganzen Land mit einer Anreise oft nicht. E-Learnings, egal ob nur ein Video, ein WBT oder ein Learning-Nugget, können also Zeit sparen. Zudem können auch Kosten gesenkt werden, wenn der Reiseaufwand geringer wird, weniger Arbeitszeit ausfällt und die Wissensvermittlung schneller erfolgen kann.

Neues Wissen kann mit Hilfe von E-Learnings zudem zeitnah verbreitet werden und erreicht unter Umständen auf diesem Weg auch eine größere Zielgruppe. Niemand muss erst auf einen Seminartermin oder gar einen Seminarplatz warten, da die Seminarplätze natürlich begrenzt und bei neuen Themen unter Umständen auch schnell ausgebucht sind.

E-Learnings bieten in der Regel kompakt gestaltete Lerneinheiten, die im Anschluss direkt umgesetzt werden können, ehe sie wieder in Vergessenheit geraten. Es besteht die Möglichkeit, durch kleine eingebaute Tests den Transfererfolg zu testen;  dies ist auch zeitversetzt möglich. Zu guter Letzt fördert E-Learning ein selbstbestimmtes Lernen. Jede/r kann also selbst entscheiden, wo, wann und wie sie/er lernt.

Welche Vorteile haben Webinare in der modernen Fort- und Weiterbildung?

Neben den oben schon aufgeführten Vorteilen von E-Learnings wie Zeit- und Kostenersparnissen ermöglichen Webinare zusätzlich, im Gegensatz zu E-Learnings, eine Kommunikation in Echtzeit. Die Teilnehmenden sind live über das Internet mit dem Referierenden verbunden, so dass sie ihre Fragen direkt stellen und sofort eine Rückmeldung erhalten können. Webinare leben von vielen Interaktionen und dem direkten Austausch untereinander. Hinzukommt, dass Webinare mehrere Medienformate wie beispielweise Video, Audio und Textchat in einem Instrument vereinbaren. Außerdem können an Webinaren deutlich mehr Personen teilnehmen als in einer Präsenzveranstaltung, da die räumlichen Beschränkungen von Seminarräumen entfallen.

Welche beruflichen Erfahrungen bringen Sie mit und welche Erfahrungen haben Sie mit digitaler Fortbildung schon gewonnen?

Vor meiner Tätigkeit bei der Justizakademie war ich lange Jahre in der Erwachsenenbildung bei einem Fernstudiumsanbieter tätig, der berufsbegleitende Weiterbildungen in den Bereichen Sport und Management, Wellness und Gesundheit, Tourismus und Hospitality sowie Kommunikation anbietet. Wir haben sehr früh angefangen, uns dem Thema Digitalisierung zu widmen, um unserer Zielgruppe gerecht zu werden und ein nebenberufliches Lernen auf Distanz bestmöglich zu gewährleisten. Auch wir sind immer wieder auf technische Schwierigkeiten gestoßen, die wir glücklicherweise mit unserer hauseigenen IT-Abteilung beheben konnten, so dass schlussendlich die vielen Vorteile überwogen.

Wir haben E-Learnings, zu diversen Themen wie beispielsweise Anatomie, Athletik Training, Marketing und Betriebswirtschaftliche Grundlagen entwickelt, um nur einige zu nennen.

Als berufstätige Mutter finde ich es großartig, dass ich entscheiden kann, wann, wo und wie lange ich lerne. Meine nebenberufliche Weiterbildung als E-Learning-Entwicklerin hätte ich nur schwer absolvieren können, wenn sie in Präsenz stattgefunden hätte. Ich kenne also auch die Sicht als Teilnehmerin und auch die Schwierigkeiten, die an der einen oder anderen Stelle auftreten können, wie zum Beispiel ein nicht funktionierender Link oder eine Software, die nur von bestimmten Browsern unterstützt wird. Diese lassen sich in der Regel mit Hilfe der Mitarbeitenden sehr schnell lösen. Die Digitalisierung ist aus meiner Sicht eine große Bereicherung der Aus- und Fortbildung, wenn man sie gezielt und dosiert an den richtigen Stellen einsetzt.

Welche Unterschiede nehmen Sie wahr in dem Bereich Digitalisierung zwischen Ihrem damaligen Arbeitgeber und der Justiz?

Im Bereich der Justizakademie nehme ich eine große Offenheit und auch den Wunsch, mit der Zeit zu gehen, bzw. den Wunsch nach Veränderung wahr. Es gibt sehr viele kreative Ideen und Ansätze - allerdings fehlt es manchmal noch an der konkreten Umsetzung oder dem Mut, diesen neuen Weg auch wirklich zu gehen und zum Beispiel eine Präsenzfortbildung in ein Blended Learning Format umzuwandeln. Ich glaube, dass an der einen oder anderen Stelle noch ein paar Berührungsängste beim Thema Digitalisierung bestehen, die mit dem Ausprobieren der neuen Möglichkeiten dann verschwinden.

Bei meinem damaligen Arbeitgeber gab es keinerlei Berührungsängste mit den neuen Medien, da musste eher aufgepasst werden, dass durch die Kreativität nicht viele Routinen verloren gingen. Ein großer Vorteil war die schnelle Umsetzung interner Anforderungen durch die IT.

Und welche Besonderheiten nehmen Sie überhaupt wahr in der Justiz? Wie erleben Sie die Justiz(bediensteten)?

Ich habe das Gefühl, dass es in der Justiz gerade einen großen Umbruch gibt. Viele der Justizbediensteten sind den neuen Medien gegenüber sehr offen und auch bereit, diesen Weg zu gehen; andere wenige möchten an den gewohnten Strukturen festhalten, ganz nach dem Motto: Das haben wir schon immer so gemacht! Ich kann dieses Gefühl auch sehr gut nachvollziehen. Der Mensch ist ein „Gewohnheitstier“ und alles Neue sorgt zunächst immer erstmal für eine gewisse Unsicherheit. Deswegen ist es wichtig, die Menschen an dieser Stelle abzuholen und auf die Reise in das neue digitale Zeitalter mitzunehmen.

Das, was viele in der Justiz gerade blockiert, sind - glaube ich - die recht umständlichen IT- Strukturen, die Beschränkungen des Landesverwaltungsnetzes und die hohen Anforderungen an den Datenschutz.

Welche Ideen und Visionen haben Sie für die digitale Fortbildung in der Justiz – und welche, glauben Sie, können in absehbarer Zukunft verwirklicht sein?

Meine Vision ist eine digitale Justiz mit all den technischen und digitalen Möglichkeiten, die auch in der freien Wirtschaft zur Verfügung stehen. Auf diese Reise möchte ich alle Justizbediensteten mitnehmen und begleiten, Berührungsängste mit den neuen Medien abbauen, die Medienkompetenz erweitern und ihnen die Chancen und den Nutzen der digitalen Möglichkeiten näher bringen bzw. durch Web-Based-Training, Erklärvideos uvm. erlebbar machen.

 

Herzlichen Dank!